Die Stimme der KMU und der Wirtschaft

Die Diskussion über das Verhältnis zwischen der Schweiz und der Europäischen Union wird oft einseitig geführt. Die EU und sogar Schweizer Politiker werfen der Schweiz vor, «Rosinenpickerin» zu sein. Die Wahrheit ist aber: Die EU profitiert massiv von der Schweiz – und zwar in praktisch allen Bereichen der bilateralen Zusammenarbeit.
Massive Geldflüsse in die EU
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Jährlich fliessen über 30 Milliarden Franken an Schweizer Löhnen an die mehr als 400’000 Grenzgänger, die in der Schweiz arbeiten, aber in EU-Ländern wohnen. Diese Summe entspricht einer direkten Subventionierung der europäischen Nachbarregionen durch Schweizer Arbeitgeber. Hinzu kommen weitere 200 Millionen Franken Arbeitslosengelder, die arbeitslose Grenzgänger aus der Schweizer Arbeitslosenversicherung beziehen.
Noch beeindruckender sind die Rentengelder: Über 6 Milliarden Franken fliessen jährlich aus der Schweiz in die EU-Staaten. Dazu gesellen sich über 500 Millionen Franken Kinderzulagen, die aus der Schweiz in EU-Länder transferiert werden. Diese Geldströme stellen eine erhebliche wirtschaftliche Stütze für die europäischen Nachbarländer dar.
Bildung und Forschung: Schweizer Steuerzahler finanzieren EU-Studenten
Im Bildungsbereich zeigt sich ein ähnliches Bild. Fast jeder dritte Universitätsstudent in der Schweiz kommt aus dem Ausland, mehrheitlich aus dem EU-Raum. Zehntausende EU-Studenten nutzen die Schweizer Top-Universitäten, wobei die Schweizer Steuerzahler diese EU-Studenten mit rund einer Milliarde Franken pro Studienjahr subventionieren. Gleichzeitig zahlt die Schweiz doppelt so viel pro Kopf für EU-Programmabkommen wie andere Teilnehmerländer.
Handel und Investitionen: Ungleiche Bilanz
Auch in der Handelsbilanz zeigt sich, wer der eigentliche Profiteur ist. Die Schweiz importiert für 20 Milliarden Franken mehr Waren aus der EU, als sie dorthin exportiert. Bei den Dienstleistungen verkauft die EU sogar für 60,47 Milliarden Euro mehr in die Schweiz als umgekehrt. EU-Regierungen kassieren zudem Milliarden Euro an Mehrwertsteuer-Einnahmen durch den Handel mit der Schweiz.
Die Schweiz weist 661 Milliarden Franken an Direktinvestitionen in der EU aus – das entspricht 73’000 Franken pro Schweizer Kopf. Diese Investitionen schaffen Arbeitsplätze und Wohlstand in Europa, während die Schweiz bereits Milliarden an Kohäsionszahlungen – faktisch Entwicklungshilfe – an die EU leistet: 2,6 Milliarden bis 2029.
Infrastruktur und Verkehr: Schweizer Milliarden für Europa
Beim Landverkehrsabkommen profitiert eindeutig die EU. Die Schweiz hat die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) für rund 23 Milliarden Franken gebaut und finanziert – primär für den europäischen Transitverkehr. Hunderttausende EU-Lastwagen fahren vergünstigt durch die Schweiz und nutzen diese von Schweizer Steuerzahlern finanzierte Infrastruktur.
Einkaufstourismus und weitere Transfers
Der Schweizer Einkaufstourismus sorgt für Milliardenumsätze in den benachbarten Grenzregionen: rund 7,5 Milliarden Franken jährlich fliessen so direkt in die EU-Wirtschaft. Zusätzlich fliessen jährlich über 450 Millionen Franken aus der Unfallversicherung (UVG) in die EU-Nachbarländer.
Fazit: Die Schweiz als grosszügiger Partner
Die Bilanz ist eindeutig: Die Schweiz erweist sich als ausserordentlich grosszügiger Partner der EU. Seit Einführung der Personenfreizügigkeit sind netto rund 860’000 EU-Staatsangehörige zusätzlich in die Schweiz eingewandert, was die EU von Migrationsdruck entlastet. Gleichzeitig profitiert die EU von massiven Geldtransfers, Investitionen und Infrastrukturleistungen der Schweiz.
Die Schweiz ist keineswegs die «Rosinenpickerin», als die sie oft dargestellt wird. Vielmehr zeigt die Realität, dass die EU in praktisch allen Bereichen der bilateralen Beziehungen erheblich von der Schweiz profitiert. Diese Tatsachen sollten in künftigen Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU angemessen berücksichtigt werden.
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Zur Person:
Henrique Schneider ist Verleger der «Umwelt Zeitung». Der ausgebildete Ökonom befasst sich mit Umwelt und Energie aber auch mit Wirtschafts- und internationaler Politik.







